"I've been to the dentist a thousand times
so I know the drill.
I smooth my hair,
sit back in the chair,
but somehow I still get the chills."
- Owl City - Dental Care
Das singt mir Adam Young von
Owl City gerade vor und plötzlich fällt mir wieder ein, dass ich schon eine Weile nicht mehr beim Zahnarzt war
(Verdrängung nennt man das, glaube ich). Die Zahnärzte und ich, ja das ist so eine Sache. Ich würde nicht sagen, ich habe Angst vor'm Zahnarzt, ich gehe einfach nur absolut gar nicht gerne hin! Aber eins ist klar, ich hatte beinahe so viele Zahnärzte, wie
Liz Taylor Ehemänner! Macht euch auf eine unendliche Geschichte gefasst...
Früher, als ich klein war, ging ich zu einem lieben und netten älteren Herren, nennen wir ihn "
ZA-1". Er war immer freundlich und vorsichtig, so dass klein-Anja keine Angst haben musste. Außerdem bekam man bei ihm oft coole Zahnbürste als Belohnung geschenkt, wenn man brav war.
(Wie dämlich eigentlich. Eine Zahnbürste? Wär ich Zahnärztin, würden meine Patienten nach der Behandlung alle mit pinker Zuckerwatte meine Praxis verlassen. Irgendwie muss man sich ja absichern!) Bunte Zahnbürsten mit hübschen Motiven drauf! Das war toll, denn Mama kaufte immer nur die langweiligen. Ich putzte mir zwar immer brav die Zähne, aber
Karius und Baktus fanden es bei mir scheinbar besonders gemütlich. Daher besuchte ich "
ZA-1" häufiger als das Durchschnittskind. Das machte mir jedoch nie etwas aus, denn es wurde mal wieder Zeit für eine neue Zahnbürste!
(Nur die Minuten im Wartezimmer, die gern mal zu Stunden wurden, hasste ich.)
Doch irgendwann, ich war gerade in meiner frühen Zahnspangenphase, war "ZA-1" zu alt und ging in seinen wohlverdienten Ruhestand. Seine Praxis übernahm ein anderer, ebenfalls netter, Herr: "ZA-2". Entweder, er übernahm nicht alle Patienten, oder er arbeitete einfach schneller, denn die Wartezeit vor dem Termin verkürzte sich plötzlich drastisch. Fand ich gut, denn somit war der einzige Grund für ein "Och nö!", wenn Mama ankündigte, dass es nun zum Zahnarzt ginge, verschwunden. Beinahe schmerzlos und schnell liefen die Termine ab.
Bis ich 19 war. Seit einigen Wochen spürte ich, dass irgendein Zahn rechts im Oberkiefer extrem auf Kälte reagierte und oft schmerzte (wenn auch nur leicht). Hinzu kam, dass ich kurz vor meinem Au Pairs Jahr stand und man mich vorher aufgeklärt hatte, dass Zahnbehandlungen (Arztbesuche allgemein) um einiges teurer sind, als hier in Deutschland. Also klapperte ich in der Zeit alle Ärzte ab, die ich so in meinem Adressbuch stehen hatte.
Angekommen bei "ZA-2" sagte ich ihm, wo der Schuh bzw. Zahn drückte. Auch erklärte ich ihm mein bevorstehendes Auslandsabenteuer (Als er erfuhr, dass es für mich in die Nähe von Boston gehen würde, schwärmte er mir vor, wie toll es dort sei und betonte mehrmals, wie sehr er sich für mich freuen würde.) und die damit verbundenen, medizinischen Nachteile. Er schaute sich den Zahn genauer an, machte sogar ein Röntgenbild. "Der geht noch!", sagte er (mit seinem liebenswerten, polnischen Akzent), "Darum kümmern wir uns, wen Sie wieder zurück sind!" Ich war mir nicht sicher, ob er in der ganzen Boston-Schwärmerei vergessen hatte, dass es sich um ein ganzes Jahr handelte, also fragte ich noch mal nach. Aber es war "Alles okay, alles gut!" - Okay, gut!
Anfang August zog ich in die USA und hatte den Zahn vor Aufregung bereits längst wieder vergessen. Bis er sich im September zum ersten Mal meldete: Ich war mir ein paar Freunden im Kino, als ich plötzlich höllische Zahn-, Kiefer-, Ohren-, Augenschmerzen bekam - ich konnte nicht sagen, was es war, es tat einfach alles weh. Aber der Schmerz war so schnell wieder weg, wie er gekommen war - und somit auch fix wieder vergessen.
Ein paar Monate später meldete sich der Zahn gar nicht mehr, bis Anfang Dezember. Ich hatte wieder so starke Schmerzen, dass ich eine ganze Nacht lang wach im Bett lag. Zum Glück waren meine Gasteltern mit einem Zahnarzt, "ZA-3", befreundet, zu dem sie mich direkt brachten. Die Behandlung war dank "Vitamin B" netterweise kostenlos. Der Zahn war leider ziemlich im Eimer. "ZA-3" verschrieb mir ein Antibiotikum gegen die Entzündung und stellte mich vor die Wahl: (arschteure) Wurzelbehandlung (die meine Zusatzversicherung nicht übernommen hätte) oder Zahn ziehen. Ich entschied mich für letzteres, da ich leider nicht mal eben $1400 für die Behandlung gehabt hätte. Und der Zahn lag so weit hinten im Mund, dass es weder auffällt, noch stört. (Ich vermisse ihn bis heute nicht. Außerdem kann man in der Lücke wunderbar Sachen verstecken. Kaugummis zum Beispiel.) Gezogen wurde mir der Zahn dann allerdings nicht vom Bekannten meiner Gastfamilie, sondern von einem Zahnziehspezialisten (die haben für alles Spezialisten in den USA!), womit wir bei "ZA-4" wären. Kurz vor Silvester war ich dann um einen Zahn und $135 ärmer. Danach hatte ich Ruhe.
Nach meinem Au Pair Jahr wollte ich eigentlich nie wieder zu "ZA-2" zurückkehren, weil ich noch immer sauer war, dass er nichts unternommen und das ganze Desaster verhindert hatte. Aber wie heißt es so schön? Jeder hat eine zweite Chance verdient (Ich bin so richtig blöd und naiv manchmal!). Ein einziges Mal ging ich noch hin: Es war ein heißer Sommertag und ich war die erste Patientin nach der Mittagspause. Er betrat das Behandlungszimmer, ließ sich schweißgebadet (alle schwitzten an dem Tag!) auf seinen Stuhl plumpsen und stöhnte laut "Puh, ich kann nicht mehr!" Am liebsten wäre ich direkt geflüchtet, aber da ich eh nur zur Kontrolle dort war, zeigte ich brav meine Beißerchen und kam nach dem Termin nie wieder.
Mittlerweile war ich nach Münster gezogen und beschloss mir dort einen Zahnarzt zu suchen. Keine 5 Minuten von meinem Wohnheim entfernt war eine Gemeinschaftspraxis, bei der ich mich meldete. Von nun an wurde ich von "ZÄ-5" (Ä, ja richtig, es war zur Abwechslung mal eine Ärztin) behandelt. Nach dem ersten Termin war ich so begeistert von ihr, dass ich am liebsten gleich wieder hingegangen wäre (Gut, musste ich eh in der Woche darauf, weil ich zwei klitzekleine Löcher hatte, um die sie sich kümmern wollte.). Man kann sagen, sie war die Zahnarzt-Liebe meines (bisherigen) Lebens! Doch wie es auch in der Liebe so oft ist, wurde ich plötzlich auf den Boden der Tatsachen geholt, schwer enttäuscht und von heute auf morgen einfach verlassen. Als ich irgendwann mal anrief, um einen neuen Termin zu machen, sagte man mir "Sorry, aber 'ZÄ-5' ist leider nicht mehr in der Praxis tätig, sie erwartet ein Kind! Aber ich kann sie für 'ZA-6' vormerken." Und was macht Frau, wenn sie nach einer traumhafte Beziehung plötzlich verlassen wurde? Richtig, sie sucht sich einen Ersatz um sich zu trösten (Naja ich hatte keine Wahl, ich hatte ja Zahnweh!).
"ZA-6" schaute sich meine Zähne an und fragte mich "Frau A., schlickern* sie gerne?". Okay, keine 10 Minuten waren vergangen und er hatte bereits verkackt! Was ging es ihn an, ob ich gerne Süßigkeiten mag?! Und überhaupt, eine Frau fragt man sowas nicht. Man weiß doch, wie wir Frauen sind, wir denken gleich, unser Gegenüber will damit sagen, dass man unsere heimlich angefutterten Pölsterchen sieht. Egal, ob er mit seiner Lupe gerade nicht den Winterspeck ansieht, sondern die Krater in meinen Zähnen. Er schickte mich mit einem neuen Termin für die kommende Woche wieder nach Hause.
Eine Woche später saß ich dann wieder bei ihm auf dem Stuhl des Grauens. Er setzte eine Betäubungsspritze an und piekste einmal links und einmal rechts irgendwo rein. Mit den Worten "So, jetzt sind sie für ein paar Stunden lahmgelegt, was das Sprechen angeht!", verschwand er vorerst aus dem Zimmer. (Innerlich spürte ich Jubel und Erleichterung bei allen Menschen, die mich schon mal mehrere Stunden am Stück ertragen mussten.) Wie, lahmgelegt? Woher wollte er denn wissen, dass ich nicht nachher noch einen wichtigen Termin haben würde? Warum muss der beide Seiten gleichzeitig machen? Er hätte wenigstens mal fragen können. Nun, war ja jetzt zu spät.
Die Behandlung ging schnell und statt noch eben was einkaufen zu gehen, versteckte ich meine Gesichtshälfte unterhalb der Nase unter meinem Schal und verschwand so schnell ich konnte in mein Zimmerchen im Wohnheim. Mein entgleistes Gesicht blieb aber nicht lange unentdeckt, denn meine Lieblingsmitbewohnerin stand recht schnell vor meiner Tür, als sie bemerkte, dass ich wieder zurück war. Ich müsste lügen, um zu sagen, wir hätten keinen Spaß gehabt, in der Tat lachten wir uns schlapp und suchten nach Wörtern, die für mich besonders schwer auszusprechen waren (Sagt mal "Schicksalsschlag" nach einem Besuch beim Zahnarzt!).
Doch irgendwann war Schluss mit lustig, da ich hungrig wurde und die Betäubung vor allem auf der rechten Seite noch immer nicht abgeklungen war. An Essen war da nicht zu denken, ich hätte vermutlich aus Versehen meine eigene Zunge verspeist, ohne es zu merken. Also legte ich spontan einen Diätabend ein (Immerhin hatte "ZA-6" ja eh neulich mit seiner Bemerkung impliziert, ich sei fett!).
Als ich am nächsten Morgen aufwachte und meine rechte Zungenhälfte noch immer taub war, bekam ich Panik und rief direkt bei meinem Zahnarzt an. Die Betäubung habe eventuell meinen Zungennerv irritiert "und der ist nun beleidigt" (Ja, das sagte er wirklich so. Ich war doch keine 6 mehr!). Das passiere manchmal** und ich müsse damit rechnen, dass es bis zu 6 Monate dauern könne, bis die Betäubung nachlassen würde.
So kam es dann auch. Die ersten 2-3 Wochen konnte ich mich nur von breiartigen und matschigen Dingen ernähren, wie ein Baby! Langsam wurde die Taubheit irgendwann weniger und nach etwa 6 Monaten war es so weit abgeklungen, dass ich es kaum mehr merkte, wenn ich nicht dran dachte.
Das Gefühl in meiner rechten Zungenhälfte ist bis heute nicht 100%ig zurückgekehrt aber es stört nicht mehr. Nur mit "ZA-6" und mir war nach der ganzen Aktion Schluss. (Das Vertrauen war weg und einfach nicht mehr zurück zu gewinnen). Und seit dem Debakel bin ich BeziehungsZahnarztunfähig: Seit einem Jahr habe ich keinen Fuß mehr in eine Zahnarztpraxis gesetzt.
Natürlich weiß ich, dass das so nicht geht und ich werde heute noch vielleicht morgen meinen potentiellen "ZA-7" anrufen und einen Termin zur Kontrolle machen. Wenn das so weitergeht, überhole ich Liz Taylor mit ihren 8 Ehemännern in naher Zukunft!
So. Jetzt hab ich Zahnweh!
*schlickern = schleckern, naschen, schnabulieren, ... Süßigkeiten essen.
** Nachtrag: Um genau zu sein, passiert das nicht "manchmal", sondern nur in den seltensten Fällen und ich bin hobbymäßig ein seltener Fall. Verklagen kann man den Zahnarzt damit übrigens nicht, hab ich ergooglet, denn ich hatte Pläne, das könnt ihr mir glauben! In den USA mag das vielleicht anders sein, aber da hatte ich ja andere Probleme ;)